Gemäß einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat bereits jeder zweite Arbeitnehmer schon einmal Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemacht. Dabei reichen die Belästigungen von verbalen Anzüglichkeiten, langen Blicken über leichtes Betätscheln und Nacktfotos bis hin zum regelrechten Bekrapschen.
Prof. Dr. Sabine Oertelt-Prigione, Professorin für Gendermedizin an der Universität Nijmegen, und Sabine Jenner, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an der Berliner Charité, untersuchten in einer Studie, welche Maßnahmen Betriebsräte und Arbeitgeber gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz unternehmen können. Zusammen mit der Hans-Böckler-Stiftung werteten sie 120 betriebliche Vereinbarungen aus dem öffentlichen Dienst, der Industrie und dem Dienstleistungssektor aus.

Gesundheitliche Schäden sind häufig vorprogrammiert

Herausgekommen ist, dass sexuelle Belästigungen gesundheitlich schädigend sein können. Oftmals stellen derartige Belästigungen eine starke psychische Belastung dar. Diese psychischen Belastungen können zu Depressionen, Angstneurosen, Rückenschmerzen und Herz-Kreislauf-Beschwerden führen. Die Symptome sind dabei vielfältig.
Zudem leiden auch das betriebliche Klima und die Zusammenarbeit mit den Kollegen, was wiederum nicht selten dazu führt, dass die Betroffenen kündigen oder wegen Krankheit fehlen.

Unternehmen entgegnen derartige Handlungen mit bestimmten betrieblichen Vereinbarungen, die Rahmenbedingungen im Umgang mit sexueller Belästigung schaffen. Wichtig dabei sei jedoch, dass eine sexuelle Belästigung in der Vereinbarung genau definiert sein muss, um konkrete Schritte einleiten zu können. Eine Empfehlung der Experten ist, die Definition des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mit den dazugehörigen Beispielen zu übernehmen.

Wie wird gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz eine sexuelle Belästigung definiert?

In § 3 Abs. 4 AGG stellt eine sexuelle Belästigung ein

  • unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten,
  • unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen,
  • sexuell bestimmte körperliche Berührungen,
  • Bemerkungen sexuellen Inhalts,
  • unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen dar.

Zudem können am Arbeitsplatz noch aufdringliche, unangenehme Blicke sowie unerwünschte pornografische Bilder hinzukommen. Auch die Androhung von Nachteilen oder das Versprechen von Vorteilen für die Ausübung sexueller Handlungen stellen eine sexuelle Belästigung dar.

Arbeitgeber: Strafen und Sanktionen anwenden

Vorgesetzte sollten nicht scheuen, die betrieblichen Vereinbarungen anzuwenden, wenn eine sexuelle Belästigung im Raum steht. In 13 Prozent der untersuchten Vereinbarungen wurden diesbezüglich vorgeschriebene Maßnahmen für Vorgesetzte gefunden. In 45 Prozent der Vereinbarungen fanden sich allgemeine Verhaltensregeln und Grundsätze für Beschäftigte.

Wichtig und erforderlich sei ein Beschwerdeverfahren, das sowohl transparent als auch anonym sein sollte. Dies ist gerade bei Hierarchieebenen wichtig. Betroffene müssen die Möglichkeit haben, sich anonym zu beschweren oder aber auch das direkte Gespräch zu suchen.

Sollte dann eine sexuelle Belästigung nicht nur mehr im Raum stehen, sondern zur Gewissheit werden, so sind Sanktionen und Strafen anzuwenden, die klar und strukturiert in den Vereinbarungen enthalten sein müssen. Fast jede zweite Vereinbarung enthielt derartige Regeln. 28 Prozent der Vereinbarungen sahen zudem Pflichtfortbildungen zur Thematik der sexuellen Belästigung für Vorgesetzte vor.

Bei einer Anzeige einer sexuellen Belästigung sind Arbeitgeber verpflichtet, dieser nachzugehen und weitere Schritte einzuleiten.

Dabei sind folgende Schritte zu tätigen:

  • Beschwerdeüberprüfung
  • Gespräch mit der belästigenden Personen suchen und diese über die Folgen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aufklären
  • Anwendung von Sanktionen gegenüber der belästigenden Person, sofern eine sexuelle Belästigung bestätigt werden konnte
  • Gespräch mit der belästigten Person

Strafmaß

Bei einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz können folgende Strafen eingesetzt werden:

  • Ermahnung
  • Abmahnung
  • Versetzung
  • Ordentliche Kündigung
  • Außerordentliche Kündigung (siehe auch ArbG Schleswig-Holstein, 27.09.2006, 3 Sa 163/06)
  • Disziplinarverfahren bei Beamten

Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

  1. das direkte Gespräch mit der Person suchen, von der die Belästigungen ausgehen; sollte dies nicht fruchten, dann das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen
  2. Hilfe annehmen - Freunde, Kollegen oder entsprechende Anlaufstellen aufsuchen

Was tun bei sexueller Belästigung auf der Straße?

  1. Laut rufen: „Finger weg“ oder ähnliches, wenn möglich sofort die Polizei rufen
  2. Passanten auffordern, zu helfen und die Polizei zu rufen, sofern dies noch nicht erfolgt ist
  3. Selbstverteidigungsmaßnahmen anwenden, sofern diese bekannt sind; wenn nicht, sich versuchen zu wehren und weiterhin auf sich aufmerksam zu machen
  4. Hilfe annehmen, Freunde und Familie über das Geschehene einbinden und sich professionelle Hilfe suchen

Bekannte und wichtige Anlaufstellen sind:

  • Der Weiße Ring: bundesweit hilft dieser Opfern von Kriminalität und Gewalt. Bundesweite Telefonhotline ohne Vorwahl: 116006
  • Das Bundesamt für Familie: Hier steht ein bundesweites Hilfetelefon im Rahmen der Aktion „Gewalt gegen Frauen“ zur Verfügung: 08000 116016. Dieses ist rund um die Uhr besetzt. Insgesamt werden 15 Sprachen angeboten.
  • Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes: 030 18555-1865. Hier wird kostenfrei über die Rechte und Ansprüche von Opfern beraten. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 9-12 sowie 13-15 Uhr.